W egen seiner Lage an der Weichsel, sowie des Grenzcharakters der Stadt und zahlreicher Kontakte mit anderen Städten unseres Kontinents spielte Toruń von Anfang seins Bestehens im 13. Jh. eine wichtige Roll im europäischen Handel. Die Flösserei ist ein Teil der Handelstradition der Stadt.
Bis heute erinnert an diese Tradition in Toruń eine der berühmtesten Thorner Legenden über einen Geige spielenden Flösserjungen, dem es gelang, während einer Froschplage Tausende von Kröten aus der Stadt auszuführen. Zu seinem Ehren entstand in Toruń das Flösserdenkmal. Heutzutage steht dieses Denkmal - Springbrunnen mit dem Thorner Flösserjungen, umgeben von Fröschen, an der Südwestecke des altstädtischen Rathauses.
Toruń spielte im Mittelalter hervorragend die Rolle eines Umschlagplatzes
Der aktive Austausch mit europäischen Hansestädten sicherte Lieferungen von überseeischen Waren in die Stadt, die hier hauptsächlich auf der Weichsel aus Danzig gelangten. Polnische Kaufleute lieferten dagegen nach Toruń hauptsächlich Holz, Korn und Felle. Dank dem im 14. Jh. erlangten Stapelrecht stellten auswärtige Kaufleute ihre Waren 5 Tage lang in Toruń aus. Im Laufe der Zeit wurde dieses Privileg von Danzig übernommen, doch Toruń erfüllte weiterhin gut seine Mittlerrolle im Handel mit dem auf der Weichsel verschifften Waren aus Südpolen. Die Bedeutung der Stadt ergab sich daraus, dass sich hier die strategische Brücke über die Weichsel befand, und auch daraus, dass sie am Wasserweg lag, der bis nach Wlodimir in Wohynien führte.
Die Flößertraditionen waren mit dem Handelscharakter der Stadt verbunden. Das Flößen bedeutete ursprünglich das Betreiben der Binnenschifffahrt auf Schiffen und Booten. Deswegen nannte man die Kaufleute, die diese Transportmittel in Anspruch nahmen, Flößer. Parallel zu dieser Tradition entwickelte sich in Toruń das Flößen von Holzstämmen in Form von Traften, die Leute, die sich damit befassten, nannte man hier Flissaken. Holzhandel war ein wichtiger Handelszweig in der Stadt von der Stadtgründung bis zu dem Zweiten Weltkrieg.
Die Menge von Holz, die man auf der Weichsel an der Stadt vorbei floss, war gewaltig. 1903 wurde bei Toruń ein Hafen zum Umschlag und zur Lagerung von Holz mit einer Fläche von 66 ha eingerichtet (man konnte darin 110 000 Kubikmeter Holz aufbewahren). Das Floßholz wurde zur verschiedenen Zeiten in Nord- oder Westrichtung transportiert. Es gelangte also nicht nur nach Danzig, denn im 19. Jh. wurde Toruń nach dem Erbauen des Bydgoszcz-Kanals ein Teil des preußischen Wasserwegesystems, das das Flössen von Holz nicht nur nach Stettin, sondern auch nach Berlin erlaubte. Man schätzt ein, dass der Holzumschlag in Toruń in den Jahren 1910-1912 und während des ersten Weltkrieges das höchste Volumen erreicht hat.
Da in Toruń seit 1826 das Hauptzollamt tätig war, mussten die Flößer in der Stadt eine Pause einlegen, um ihre Ware zu verzollen. Dies beeinflusste die Entstehung in der Stadt einer Flößerfolklore. Die Flößer wurden zu zahlreichen und sichtbaren Gästen der Stadt, die das Ziel einer langen Wanderung auf dem Fluss vom Gebiet des russischen und österreichischen Teilungsgebietes war. Das Holz von diesen Territorien wurde im Thorner Holzhafen von den hiesigen Flößer übernommen. Das Holz erreichte Toruń nich nur aus den Gebieten, die an der Weichsel lagen, sondern von Bug, Narew, Drwęca, San oder Mała Tanew in Kleinpolen, an der das Dorf Ulanów lag, die durch ihre besten Flößer bekannt war, insbesondere Führer von Flößertrupps.
Die Flößer aus der Umgegend wohnten meistens im benachbarten Złotorja und Kaszczorek. Die beiden Dörfer lagen in der Nähe der Einmündung der Drwęca in die Weichsel und dies entschied von ihrer Rolle im Floßhandel (in Złotorja wurde der Zoll in der Zollkammer schon seit dem 14. Jh. erhoben). Die Thorner Flößer bewohnten hauptsächlich die Siedlung Fischereivorstadt an der Weichsel.
Das Flößen von Holz auf so einer langen Distanz war eine große Kunst. Die Flößer verbanden 8-12 Holzstämme zu den so genannten Tafeln. Ihre Breite wurde dem Fluss angepasst, auf der die Tafeln geflößt wurden. Die Weichseltafeln erreichten 5-10 Meter Breite. Sie wurden durch Querbalken, genannt Klister verbunden. Eine Reihe von verbundenen Tafeln (der so genannte Band) konnte sogar 120 m lang sein. Die Breite der Weichsel machte es möglich, die Bänder miteinander der Breite nach zu verknüpfen und deswegen konnten auf dem Fluss gewaltige Bänder mit einer Breite bis zu 60 m erscheinen. Im vorderen Teil befand sich der Kopf, das letzte Floss wurde Zoll genannt. Das geflößte Holz wurde allgemein Wald genannt. Toruń war dagegen für viele Flößer Pfahl, also das Ziel der Reise. Chef eines Transportes wurde Reetmann genannt, der eine Gruppe von Flößern befehligte. Deswegen, weil das Flößen eines Holztransportes meistens sehr lange dauerte, bauten die Flößer auf ihren Bändern Strohhütten. Das Flößen konnte von frühem Frühjahr, als der Weichsel schollenfrei geworden war, bis zum späten Herbst betrieben werden.
Zur Flößertradition in Toruń gehörte die wohlverdiente Erholung in der Kopernikusstadt von Mannschaften nach dem mehrere Wochen langen Aufenthalt auf dem Fluss. In Toruń fand in der Regel feierliches Schlagen von jungen Flößlehrlingen zu richtigen Flößern. Der traditionelle Treffpunkt der Flößer war das nicht mehr existierende Wirtshaus "Zum Türken" auf dem Alten Markt. Seitdem auf dem Thorner Markt 1853 das Kopernikusdenkmal erbaut wurde, wurde es zum beliebten Treffpunkt und Ruhestätte der Flößer.